Flüchtlingsrat Brandenburg
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Italia-Info Juli 2007
Zusammengestellt von Judith Gleitze
Wenn es nicht anders vermerkt ist, werden die Artikel zusammengefasst und NICHT im Ganzen übersetzt. Die Wiedergabe der Artikel bedeutet keine Zustimmung mit allen Ausrücken und Inhalten!
Aktuelle Meldungen zu Außengrenzen finden Sie künftig umgehend auf der Seite unserer Partnerorganisation www.borderline-europe.de
Judith Gleitze hielt sich von April bis Juni 2007 im Auftrag von Pro Asyl auf Sizilien, Lampedusa und in Kalabrien auf. Sie führte hier Gespräche mit Flüchtlingen, FlüchtlingsvertreterInnen und der Marine/Küstenwache. Für nähere Informationen oder gewünschte Informationsveranstaltungen wenden Sie sich bitte an den Flüchtlingsrat Brandenburg.
Seenot – Ankunft per Boot – Sterben im Mittelmeer
Flüchtlingszentren - „Lager“ – Lampedusa
Abschiebungs- und Flüchtlingspolitik: FRONTEX - Libyen – Nordafrika
Migrationspolitik Italien
Migrationspolitik Malta
Tips zu Links
Seenot – Ankunft per Boot – Sterben im Mittelmeer
07/07/2007, Fortress Europe
Bericht über die Opfer der „illegalen Migration“ im Juni 2007 (Gabriele des Grande)
Rom – 154 junge Tote auf den Routen der illegalen Migration, das ist die Bilanz vom Juni 2007. Darunter mindestens 7 Frauen und 3 Kinder. Aus dem Meer wurden nur 41 Leichen geborgen, 113 sind im Meer verschwunden. 118 Opfer im Kanal von Sizilien, 28 auf dem Weg nach Sardinien in Algerien, 4 auf den Kanaren und 2 in der Ägäis bei Samos (Griechenland). In Frankreich erstickte ein Junge in einem Lastwagen, der auf dem Weg nach England war, in Spanien starb ein junger Nigerianer auf dem Abschiebungsflug. Die Anlandungen in Italien sind immer noch weniger als im Vorjahr, am 25.6. hat die Operation Nautilus von FRONTEX im Kanal von Sizilien begonnen. Aus Libyen erreichen uns die Nachrichten von 2137 Inhaftierten im Mai.
Seit 1988 sind mindestens 9200 Menschen auf der Flucht nach Europa gestorben.
Aber die Katastrophen im Kanal von Sizilien nehmen kein Ende. Gemessen am Vorjahr kommen auf Lampedusa nur noch 50 % an, im Gegensatz zu Malta, wo derzeit etwas mehr Menschen anlanden: allein im Mai und Juni waren es 900 Menschen im Vergleich zu 1780 Flüchtlingen in ganz 2006. Aber die Liste der Toten verlängert sich täglich. Anfang 2007 haben 249 junge MigrantInnen ihr Leben auf der Fahrt von Libyen nach Europa verloren, dahingegen waren es in ganz 2006 ‚nur’ 302! Die Route von Libyen nach Malta und Sizilien ist zu einem Massengrab geworden. Von den 2178 von Fortress Europe dokumentierten Opfern zwischen 1994 und 2007 sind 1316 in den Meerestiefen verschwunden.
Am 25.6. begann die Operation Nautilus der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX im Kanal von Sizilien. Malta, Italien, Griechenland, Spanien, Frankreich und Deutschland nehmen daran teil. „Niemand wird nach Libyen zurückgeschoben“ versichert die Einsatzleitung in Warschau. Technisch gesehen geht das auch nicht, da Libyen an der Operation nicht teilnimmt und demnach die Patrouillen auch nicht in libyschen Gewässern fahren dürfen. Dennoch schreibt das Seerecht vor, Schiffbrüchige in den nächsten sicheren Hafen zu bringen. Das bedeutet, die Boote, die in libyschem SAR (search and rescue) – Seerettungsgebiet gefunden werden verbleiben unter libyscher Kompetenz und könnten also in Richtung afrikanische Küste zurückgeschoben werden.
Nach offiziellen Daten haben die libyschen Behörden seit September 2006 mindestens 12.000 AusländerInnen inhaftiert, 2137 allein im Mai 2007. Für Monate im Gefängnis, Männer, Frauen und sogar Kinder, auch wenn es sich um vom UNHCR in Tripolis anerkannte Flüchtlinge handelt. Letzten Monat hat Fortress Europe die Inhaftierung von 400 jungen Eritreern, Somaliern und Äthiopiern im Gefängnis von Misratha dokumentiert. Unter ihnen waren 50 Frauen, 7 Kindern und 3 politische anerkannte Flüchtlinge. Einen Monat später – und man weiß nichts mehr über ihren Verbleib. Die alltägliche Praxis, das bezeugt auch das kürzlich erschienene Buch „Mamdou va a morire“ (Infinito Edizioni) von Gabriele del Grande, ist die Deportation nach Kufrah, in eine Haftanstalt, die von Italien finanziert wurde. Aus Kufrah wird immer wieder über Folter und Missbräuchen berichtet, so auch im Human Rights Watch Bericht und in o.g. Buch belegt. Aus Kufrah fahren dann die Laster mit Flüchtlingen in die Wüste, wo man sie an der sudanesischen Grenze im Nichts aussetzt.
Um den ganzen Bericht zu lesen (in italienischer Sprache): http://fortresseurope.blogspot.com
29/06/2007, Frankfurter Rundschau
Einsatz zur Abschreckung
Die EU-Küstenwacht geht nun auch vor Malta gegen Flüchtlinge vor. Unbemerkt von der Öffentlichkeit spielen sich vor der Mittelmeerinsel Malta immer wieder Todesdramen ab. So wie Mitte Juni als ein Boot mit 26 afrikanischen Flüchtlingen rund 100 Kilometer südlich des EU-Eilandes sank. Die Welt erfuhr nur deswegen davon, weil es vier Überlebende gab, die sich auf ein Thunfischfangbecken auf hoher See retten konnten und später von einem Fischkutter an Bord genommen wurden. Die übrigen 22 „Boat-People“ aus Schwarzafrika ertranken.
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1163685&sid=b47d884b7a41d1e1c18d2b35f83dd13c
29/06/2007, diverse
Die Woche der toten Flüchtlinge
16 Tote in nur 24 Stunden – das ist der Preis der Festung Europa. Die Liste der Toten im Kanal von Sizilien wird jeden Tag länger. Am 28. Juni hatte ein maltesischer Schlepper ca. 60 Seemeilen südlich von Lampedusa 23 Schiffbrüchige gerettet und die Leiche einer Frau aus dem Wasser gefischt. Insgesamt jedoch sind wohl nach den Berichten der Überlebenden noch weitere vier Menschen gestorben: ein Mann, zwei Frauen und ein Kind.
Das berichtet Gabriele del Grande, Betreiber der Homepage „fortress europe“, der hier die Opfer der so genannten illegalen Einreise nach Europa auflistet.
Diese vier Toten liegen auf dem „Friedhof Mittelmeer“, gemeinsam mit drei anderen Männern, die die Überfahrt nach Pozzallo im Süden Sizilien nicht überlebten. Die Leichen wurden von den Mitfahrenden über Bord geworfen. Eine weitere Leiche wurde von der Küstenwache ca. 10 Seemeilen südlich vor Lampedusa aus dem Meer geborgen. Aber die größte Tragödie ereignete sich in libyschen Gewässern. 23 Schiffbrüchige, die sich an Thunfischbecken geklammert hatten, wurden von dem isländischen Fischerboot „Eyborg“, das unter der Flagge der maltesischen Firma Ta’Mettew Fish Farms fährt, gerettet. Sie berichteten, dass sieben ihrer Begleiter ertrunken seien. Die Eyborg hat auch den Körper einer Frau aus dem Meer geborgen, der Kapitän Raymond Bugeja hat darauf bestanden, alle nach Malta zu bringen. La Valletta hatte dem Kapitän vorgeschlagen, die Schiffbrüchigen sowie die Leiche nach Misratha in Libyen zu bringen, da sich der Schiffbruch im libyschen Seeüberwachungsgebiet ereignete und laut Seerechtskonventionen der nächste sichere Hafen anzufahren sei. Tripolis hatte in diesem Falle sogar seine Zustimmung gegeben. Aber Bugeja weigerte sich trotz des Drucks der maltesischen Regierung, die ihm drohten, ihn wegen Beilhilfe zur illegalen Einreise anzuklagen. Bugeja sagte, Libyen sei kein sicherer Ort für Asylsuchenden. Die meisten der Geretteten kommen aus Äthiopien und sind damit tatsächlich potentielle Asylsuchende.
Quellen der Schiffsbrüche am 29.6.07: La Repubblica, Ansa, Times of Malta
Weitere Infos unter: www.fortresseurope.blogspot.com
28/06/2007, ansa.it
Boot mit Flüchtlingen verschwunden
Seit der Nacht zu 28.6. suchen die italienische Küstenwache und der Zoll nach einem Boot, das 15 Seemeilen südlich der sizilianischen Küste gemeldet wurde. Auch ein Hubschrauber wurde zur Suche eingesetzt. Meldung auf italienisch unter
http://www.ansa.it/site/notizie/regioni/sicilia/news/2007-06-28_12879367.html
27/06/2007, ansa.it
Mit 24 Menschen auf einem havariertem Boot
Sie sind auf der Überfahrt gestorben und ihre Körper wurden ins Meer geworfen: das ist das tragische Schicksal einiger derer, die in der vergangenen Nacht in Porto Palo angekommen sind, nachdem sie von einem anderen Boot gerettet wurden. Die Flüchtlinge waren 12 Tage unterwegs, wie sie berichteten. Weitere 13 Flüchtlinge, 10 Männer, eine Frau und ein Kind, sind an der sizilianischen Küste bei Marina di Modica von der Polizei und den Carabinieri aufgehalten worden, als sie an Land gingen. Sie waren mit einem sechs Meter langen Boot angekommen. Es läuft eine Untersuchung.
http://fortresseurope.blogspot.com/
27/06/2007, Fortress Europe
Neue Opfer der « illegalen Einreise »
Fortress Europe meldet am 27.6.2007 weitere Flüchtlingsopfer auf den Kanaren und Malta. Auf einem Boot, dass am 27.6. auf den Kanaren anlandet, befindet sich ein Toter, wie die spanische Zeitung „El Mundo“ meldet, am 26.6. wird laut der italienischen Agentur Ansa die Leiche einer Frau circa eine Meile vor der Insel Gozo aus dem Wasser gefischt. Ebenfalls am 26.6 landet laut der „Times of Malta“ ein Flüchtlingsboot in Malta, die Passagiere berichten, dass sie zweit tote Männer über Bord werfen mussten, die die siebentätige Überfahrt nicht überlebten. Weitere Informationen in diversen Sprachen.
http://fortresseurope.blogspot.com/
26/06/2007, La Repubblica
Drei von uns sind verdurstet
Nach 12 Tagen auf See haben 24 Flüchtlinge die sizilianische Küste erreicht. Sie berichten, dass sie ein Kind, eine Frau und einen Mann, die verdurstet sind, über Bord werfen mussten. Es handelt sich um Somalis, Eritreer, Nigerianer und ein Palästinenser. Weitere 12 Flüchtlinge sind an der Küste von Pantelleria von der Polizei aufgegriffen worden, als sie anlandeten. 5 Flüchtlinge wurden vor der Küste von Lampedusa gerettet, ein weiteres Boot mit 29 Flüchtlingen 40 Seemeilen südlich von Lampedusa wurde der Küstenwache von einem georgischen Schiff gemeldet. In der vergangenen Nacht sind 48 Flüchtlinge in drei verschiedenen Booten an der ostsizilianischen Küste gelandet.
http://www.repubblica.it/2007/05/sezioni/cronaca/sbarchi-immigrati/morti-in-mare/morti-in-mare.html
21/6/2007, Judith Gleitze
Wieder ertrinken 22 Flüchtlinge im südlichen Mittelmeer
Zum internationalen Tag des Flüchtlings erreichen die Flüchtlinge Europa nur noch tot
75 Meilen südlich von Malta, an der Grenze zu libyschen Gewässern, geht erneut ein Flüchtlingsboot mit 26 Menschen unter. Vier Menschen können sich retten, nur dadurch erfahren wir von dieser weiteren Tragödie auf hoher See. Drei von ihnen konnten sich, wie schon Ende Mai andere 27 Flüchtlinge, an die Thunfischbecken retten, die vom maltesischen Schlepper „Budafel“ gezogen werden. Ein weiterer Flüchtling hat nach Meldungen der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“ die „Budafel“ erreichen können und berichtet, dass ihr Schiff in der Nacht zum 20.6. untergegangen sei. „Wir waren 26“. Ein maltesisches Aufklärungsflugzeug überfliegt das Gebiet, ein maltesisches Schiff hat derweil Leichen geborgen und weitere gemeldet. Fast täglich erreichen uns nun diese tragischen Meldungen.
Erst gestern wurden in Favara, einer Gemeinde im südlichen Sizilien, 11 der 14 am Sonntag vor Lampedusa geborgenen Toten begraben. Totò Cavaleri, Menschenrechtsaktivist aus Agrigento, wohnt der Anlandung des italienischen Militärschiffes in Porto Empedocle bei und beobachtet das ‚Löschen der Ladung’: „Alles läuft mit einer großen Professionalität ab. Die Marine hebt die in Laken gewickelten Toten mit einem Kran vom Schiff. Die Presse fotografiert, die Carabinieri sorgen für Ruhe und Ordnung. Alle tun ihre Arbeit, eine ernste Stimmung. Gerade diese technische Kälte macht das ganze Szenario noch grausamer: es scheint wie eine Szene in einer Werkstatt oder beim Bäcker, nur mit dem Unterschied, dass all diese Leute gar nicht mit Autos oder Brot zu tun haben, sondern mit einer weiteren Tragödie, die elf Menschen das Leben gekostet hat.”
Die Gemeinde Favara hatte hat sich dazu entschlossen, diese Toten nicht auf in einem separaten Winkel der Friedhofs begraben zu lassen, sondern ihnen Gräber unter der italienischen Toten des Ortes zu geben. Die Beerdigung wurde im katholischen Ritus begangen, danach sprach auch der Imam von Favara noch einige Worte zu den wenigen Anwesenden. Die Verantwortung der nationalen und internationalen Politik für diese Tragödien wurde noch einmal klar heraus gestellt. Weitere Opfer werden dieser Tage in zwei weiteren Gemeinden in Südsiziliens begraben. Die Friedhöfe der italienischen Insel füllen sich immer weiter mit Toten, die durch die Abschottungspolitik Europas provoziert werden. “Es wird gesagt, die Grenze ist der Ort, an dem man Europa versteht. Als wir am Abend des 18.6. an der südlichen Küste einer solchen Grenze sitzen und die Einfahrt des Schiffes mit den Leichen beobachten, kommt mir der Gedanke, dass die richtige Richtung, um zu verstehen, was in Europa vor sich geht, hinter mir liegt, gen Norden“, so Totò Cavaleri, „und das verursacht einen wirklich bitteren Geschmack.“
02/06/2007, Judith Gleitze, Lampedusa
DAS STERBEN GEHT WEITER – MALTA RISKIERT AUFGRUND POLITISCHER
DISKUSSIONEN MENSCHENLEBEN
Gestern Nachmittag hat die Französische Fregatte La Motte Piquet 120 Meilen südlich von Malta in der Nähe der libyschen Küste 21 tote, im Meer treibende Flüchtlinge gefunden und an Bord genommen. Sie wollte die Leichen nach Malta bringen, aber La Valletta hat sich zum wiederholten Mal geweigert, sie aufzunehmen. Malta behauptet, der Schiffbruch muss in libyschen Gewässern stattgefunden haben und
verweist an die libyschen Behörden. Die französische Fregatte fuhr anscheinend in einem FRONTEX-Einsatz Patrouille vor der libyschen Küste und entdeckte die Leichen. Die Fregatte stoppte die Maschinen an
der Grenze zu maltesischen Gewässern und bat um Einfahrtsgenehmigung, die sie, wie 2004 auch schon bei der Cap Anamur mit 37 Flüchtlingen an Bord passiert, als diese die Einfahrt in italienische Gewässer erbat,
nicht erhielt. Malta sagte zwar laut der Tageszeitung La Repubblica zu, die Toten aufzunehmen, wenn Tripolis nicht reagiere, aber letztendlich hat dann nach langem Hin und Her Paris entschieden, die Freagatte nach
Frankreich zu leiten. Das bedeutet, nicht einmal die Opfer des Massensterbens auf offener See werden von Malta in Würde entgegen genommen – von Libyen ganz zu schweigen, sondern sie werden nach Frankreich gebracht!
Das ist nur einer der derzeitigen gehäuften Fälle von Rettungsverweigerung auf dem Mittelmeer. Erst letzte Woche mussten sich 27 Flüchtlinge knapp 3 Tage an Thunfischfangbecken festklammern, bis sie endlich nach langem Kompetenzgerangel gerettet wurden- von einem italienischen Kriegsschiff, denn Malta hat sich auch in diesem Falle geweigert, obwohl es in ihrem Seerettungsgebiet passiert ist und ein maltesisches Schiff die Schiffbrüchigen entdeckt hatte.
Ein weiterer Fall ereignete sich wiederum vor der maltesischen Küste: eine Gruppe von 30 Flüchtlingen, unter ihnen zwei Kinder und eine Frau, sendete ein SOS via Satellitentelefon. Der Hilferuf erreichte einen Flüchtling, der nach Aussagen von „La Repubblica“ im maltesischen Flüchtlingslager Safi festgehalten wird. Die sich ca. 80 Meilen südlich von Malta befindlichen Flüchtlinge in Seenot müssten laut Seerichtlinien von Malta gerettet werden, doch auch hier reagiert die maltesische Regierung wieder einmal mit Ablehnung, das Boot befände sich nach GPS-Koordinaten-Erkennung eine Meile außerhalb der maltesischen Seerettungszone. Nur der starke Druck des UNHCR hat La Valletta schließlich einknicken lassen, ein Schiff wurde ausgesendet, um die Flüchtlinge zu retten. Die letzte Nachricht der Flüchtlinge am Samstag Mittag hieß jedoch, dass sie zwar das maltesische Schiff sähen, die Malteser jedoch das Boot angeblich nicht fänden. Ein italienisches Flugzeug soll nach Aussagen eines palermitanischen Juristen, der in Kontakt mit dem UNCHR steht, die Koordinaten an die Malteser durchgeben. Bis zum Nachmittag ist nicht klar, ob die Menschen gerettet werden konnten. Es wird immer deutlicher: Malta versucht mit der Nicht-Rettung und Nicht-Aufnahme von Flüchtlingen den druck auf die Europäische Union zu erhöhen, endlich auf die maltesischen Hilferufe zu reagieren und Maßnahmen zu ergreifen, die die kleine Insel von Regularien wie DULIN II befreien. Wenn auch der Anlass vielleicht verständlich ist, so gehen jedoch die maltesischen Methoden weit über das Tragbare hinaus: hier werden wahllos Menschenleben aufgrund politischer Entscheidungen riskiert und Tote in Kauf genommen.
Trotz aller negativen Nachrichten geht die Flucht weiter: Auf Lampedusa landeten in der Nacht zum 31.5. 8 Flüchtlinge mit einem Schlauchboot direkt auf der Insel und wurden inhaftiert, als sie ins Hauptdorf kamen. Eine Nacht später rettete die Küstenwache 53 Menschen aus Nordafrika, unter ihnen 3 Frauen und brachte sie nach Lampedusa in das dortige geschloaaene Zentrum. Derzeit prüfen die UNHCR-Mitarbeiter vor Ort, ob es sich um potentielle Asylsuchende handeln könnte. Außerdem besteht der Verdacht, daaa einige der
Flüchtlinge minderjährig sind. Gestern wurde das umstrittene Handwurzelröntgen in Lampedusa von einem Arzt vorgenommen, der diese Methode selber sehr kritisch sieht und als absolut unsicher betrachtet.
Ein weiteres Schlauchboot landete am 1.6.2007 am
Die teilweise guten Wetterbedingungen haben am 2.6. zu weiteren Anlandungen an der sizilianischen Küste geführt. 13 Männer aus Ghana, Nigeria und der Elfenbeinküste wurden verhaftet, als ihr Boot
auf die Felsen von Marina d’Ispica in Südsizilien auflief. Da das Boot recht groß war, muß man davon ausgehen, dass sich sehr viel mehr Flüchtlinge an Bord befunden haben. Eine weitere Anlandung wird für
die Küste Ostsiziliens gemeldet.
Quellen: Gespräche mit UNHCR-Vertretern in Lampedusa, La Repubblica (Internet/ANSA)2.6.2007, Flüchtlingsaktivisten im Kontakt mit UNCHR Rom.
28/05/2007, Judith Gleitze
Flüchtlinge 24 Stunden im Meer – es muss erst geklärt werden, wer sie rettet
(Palermo) Unglaubliches spielt sich von Freitag bis Sonntag ca. 60 Meilen vor der libyschen Küste ab: 27 Flüchtlinge erleiden am Freitag Nachmittag (25.5.2007) Schiffbruch auf hoher See und können sich mit der Hilfe eines maltesischen Schiffes an die Seile eines Thunfischfangbeckens retten. An die stählernen Seile geklammert müssen sie mehr als 24 Stunden auf ihre Rettung warten, obwohl der Schiffbruch von dem maltesischen Fischerboot „Budafel“ gemeldet wird. Der Reeder der „Budafel“ lässt jedoch nicht zu, dass sein Kapitän die Flüchtlinge an Bord nimmt, da er angeblich besorgt um seine empfindliche Ware ist und die „Budafel“ keinen Platz für 27 Menschen habe. Es ist jedoch zu vermuten, dass der noch nicht lange zurück liegende Fall des spanischen Fischerbootes „Francisco Catalina“ den Reeder Charles Azzopardi zögern lässt: das Boot lag mit 51 Flüchtlingen an Bord eine gute Woche vor Malta fest, da der Staat sich weigerte, die Flüchtlinge aufzunehmen. In Malta sind in den letzten Tagen viele Flüchtlingsboote angekommen, so dass sich die maltesischen Behörden nicht in der Lage sehen, nun auch diese 27 Männer aus Kamerun, Ghana und Nigeria aufzunehmen. Die Gewässer, in denen sich das Fangbecken befindet, gehören allerdings zum libyschen Überwachungsraum. Während die 27 Männer von Helikoptern aus beobachtet werden und ein Arzt sich vor Ort ein Bild macht, versucht die maltesische Regierung Kontakt zu Tripolis aufzunehmen, doch Libyen reagiert nicht. La Valletta negiert die erste Meldung der italienischen Nachrichtenagentur ANSA zu dem Vorfall, doch schließlich müssen die Malteser einräumen, dass sich die 27 Männer tatsächlich seit rund 24 Stunden im Wasser befinden und bitten andere Länder der Europäischen Union um Hilfe. Malta stellt jedoch sofort klar: sie nehmen die Schiffbrüchigen keinesfalls auf.
Das italienische Marineschiff „Orione“ und ein Flugzeug der italienischen Luftwaffe befinden sich in der Nähe der nun endlich durchgegebene Koordinaten, da sie von der libyschen Regierung die Erlaubnis für die Überfliegung des libyschen Luftraum für die Suche nach einem seit dem 21.5. verschwundenen Flüchtlingsboot in dieser Gegend erhalten hatten. Erste Vermutungen legen nahe, dass es sich bei den 27 Schiffbrüchigen vielleicht um die Vermissten handelt, was sich jedoch nicht bewahrheitet. Der Fall des in Italien als „Gespensterschiff“ bezeichneten verschwundenen Bootes ist ebenso skandalös wie der jetzige: das Boot wurde am 21.5. gesichtet, Männer, Frauen und Kinder an Bord, doch niemand kann sich zu einer schnellen Rettung entschließen, so dass das Boot, als dann endlich Einheiten vor Ort sind, nicht mehr da ist. Niemand weiß, welches Schicksal die Flüchtlinge ereilt hat.
Die „Orione“ rettet die 27 Männer im Laufe des Sonntags und bringt sie nach Lampedusa, wo sie sich derzeit mit weiteren 77 angelandeten Flüchtlingen im dortigen geschlossenen Aufnahmezentrum befinden.
Kompetenzgerangel und Staatsraison können Flüchtlinge das Leben kosten. Hier werden wertvolle Stunden mit Schreibtischdiskussionen vergeben, während Menschen die unglaubliche Kraft aufbringen müssen, auf hoher See in kaltem Wasser um ihr Überleben zu kämpfen. Ohne das Einschreiten des UNHCR, der als Erster von dem Schiffbruch erfuhr, wäre auch diese Geschichte mit Sicherheit verschwiegen worden. Laura Boldrini (UNHCR) kommentiert den Fall mit Bitterkeit: „Lebensrettung braucht gemeinsame Aktionen und gemeinsame Verantwortlichkeiten aller Mittelmeeranrainerstaaten!“ Doch die Effekte der bisherigen Europapolitik werden auch an diesem Fall wieder mehr als deutlich: man hat gemeinsame Regularien wie DUBLIN II geschaffen, doch Mitgliedstaaten wie Malta zeigen deutlich auf, dass sie nicht gewillt sind, die Last dieser Verordnung zu tragen, die ihnen die Aufnahmen und den Verbleib von Flüchtlingen aufzwingt. Damit zeigt sich einmal mehr: DUBLIN II ist hinfällig. Gleiches kann man von den Einsätzen der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX sagen: In den Regularien liegt das Hauptaugenmerk auf der „Solidarität“ aller Staaten in der gemeinsamen Bekämpfung der irregulären Migration, doch Malta weigert sich, solidarisch zu sein und spielt nicht mit, wenn es gezwungen ist, Flüchtlinge zu retten oder gar aufzunehmen. Hätte Libyen, ein Land, dass nicht einmal die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat, auf die Anfrage Maltas reagiert, dann hätten sich alle beteiligten EU-Staaten die Hände gerieben und die Männer ohne Federlesen nach Libyen gebracht – das wäre das Ziel eines FRONTEX-Einsatzes gewesen. Doch im Gegensatz zur spanischen Rückübernahmepolitik mit Marokko, Senegal und anderen Staaten funktioniert das mit Libyen nur dann, wenn Ghaddafi will. Es gibt zwischen Italien und Libyen weiterhin nur Polizeiabkommen, aber keine offiziellen zur Rückübernahme von Flüchtlingen. Also bleiben Einsätze im Sinne der Grenzschutzagentur mit dem Ziel, Flüchtlinge sofort nach der Abfahrt wieder zurückzuschieben, ein Glücksspiel. Schaut man genau hin, so der Menschenrechtsaktivist Fulvio Vassallo Paleologo aus Palermo, sind auch die FRONTEX-Einsätze HERA II und III vor der afrikanischen Küste nur mäßig erfolgreich – kaum ist ein Boot aufgebracht geht auch hier, wie zu Jahresbeginn, das Gerangel los, wo man die Flüchtlinge denn nun hinbringt.
Allemal deutlich wird mit den Anlandungen der letzten Wochen wieder, dass europäische Missionen wie FRONTEX ihr Ziel nicht erreichen, denn die Menschen fliehen trotzdem. Statt Flucht zu verhindern macht FRONTEX die Wege nur noch gefährlicher, denn es werden neue, längere Routen gesucht. So sind die Boote nun nicht mehr nur im Kanal von Sizilien unterwegs, sondern es scheint sich eine neue Route nach Sardinien zu eröffnen, und auch die alten Balkanrouten werden wieder aktiviert, so gab es im April mehrere Anlandungen an der italienischen Adriaküste.
Wie sich im Fall der maltesischen „Budafel“ zeigt wird auch die Angst bei potentiellen Rettern immer wieder neu geschürt: was passiert, wenn man Flüchtlinge an Bord nimmt und sie nirgendwo absetzen kann? Wenn das Schiff gegebenenfalls konfisziert wird? Der Fall der CAP ANAMUR im Jahre 2004 hat mehr als deutlich gemacht, welche Folgen eine Rettung haben kann – das Schiff ist verloren, der Prozess gegen Kapitän und damaligen Komiteeleiter läuft immer noch.
Seerechtskonventionen, die zur Rettung von Schiffbrüchigen verpflichten, zählen immer weniger im Handel mit der Abschottungspolitik. Für alle Beteiligten entsteht ein unlösbarer Konflikt, der auf dem Rücken derer ausgetragen wird, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen auf die gefährliche Reise über das Meer einlassen müssen.
Derzeit liegt ein weiterer spanischer Schlepper mit 26 schiffbrüchigen Flüchtlingen an Bord vor Malta. Auch diese Flüchtlinge will niemand. Fraglich, ob die nächsten Schiffbrüchigen überhaupt gesehen werden.
2. Flüchtlingszentren – „Lager“
Lampedusa
29/06/2007: IOM Press Briefing Notes
Der Generaldirektor der IOM, Brunson McKinley hat am 29.6.2007 das Zentrum für Flüchtlinge in Lampedusa besucht, wo IOM gemeinsam mit dem UNHCR und dem Italienischen Roten Kreuz humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge bereithält, die nach einer gefährlichen Reise in ungeeigneten Booten die Insel erreichen.
“Im Sommer werden viele Boote mit ihrer verzweifelten Fracht Lampedusa erreichen und wir müssen sicherstellen, dass wir auf ihre Bedürfnisse auch sofort eine Antwort haben”, sagt Brunson McKinley. „Deshalb will die IOM die enge Zusammenarbeit mit dem UNHCR und dem Roten Kreuz und anderen Partnern auch fortsetzen, um geeignete humanitäre Hilfen für illegal Migranten und Asylsuchende, die die Insel erreichen, stellen zu können.“
IOM hat kürzliche ein Abkommen mit dem italienischen Innenministerium, dem Italienischen Roten Kreuz und dem UNHCR unterzeichnet, dass eine bessere Unterstützung für irreguläre Migranten in den Zentren von Lampedusa, Trapani, Caltanissetta und Siracusa auf Sizilien vorsieht.
Seit April 2006 hat die IOM Informationen und rechtliche Hilfe für mehr als 20.000 meist papierlose Migranten auf Lampedusa angeboten. Dort bauen die Behörden derzeit ein neues Aufnahmezentrum, um die Kapazität auf das Doppelte, 400 Plätze, zu erhöhen.
Um eine Überfüllung zu vermeiden werden die Migranten normalerweise in andere Zentren in Italien wie z.B. Crotone, Foggia und Bari gebracht. Hier können sie Asylanträge stellen oder werden repatriiert oder erhalten die Aufforderung, das Land selbst zu verlassen. Zwangsweise Rückführungen wurden im April 2006 auf Lampedusa ausgesetzt, als IOM sein Büro eröffnete.
Migranten, die auf Lampedusa angekommen, machen nur einen geringen Teil der gesamten Anzahl von irregulären Migranten oder overstayers in Italien aus. Während die Anzahl derer, die auf Lampedusa oder anderen Mittelmeerinseln anlanden bekannt sind, weiß man nicht, wie viele auf See oder in der nordafrikanischen Wüste verschwinden.
Vor seiner Ankunft auf Lampedusa traf Brunson McKinley den italienischen Innenminister Giuliano Amata, die Untersekretärin des Sozialministeriums Cristina de Luca und andere Mitarbeiter des Außenministerium.
Für weitere Informationen kontakten Sie bitte Flavio Di Giacomo im IOM Sitz in Rom: 0039 – 06 – 44 186 207, e-Mail: fdigiacomo@iom.it
Quelle: migreurop
3. Abschiebungs- und Flüchtlingspolitik: FRONTEX – Libyen – Nordafrika.
08/07/07, Migreurop
Eritreische Organisation appelliert an NGOs und Politiker wegen Verhaftungen
Seit circa 9 Monaten befinden sich ca. 600 Asylsuchende im Lager von Misratha in Haft. Die eritreische Organisation Habeshia hat einen öffentlichen Appell versendet, da die Flüchtlinge in Gefahr laufen, nach Eritrea zurückgeschoben zu werden, wo sie der Gefahr durch das eritreische Militär ausgesetzt sind. Die Mitarbeiterin der Organisation Mussie Zerai wendet sich an die EU sowie die italienische Regierung, einzugreifen und den Flüchtlingen zu helfen.
Quelle : Gabriele del Grande für [Migreurop] Libye : 600 eritréens detenus depuis 9 mois à Misratah
08/07/07, http ://www.ansa.it
Immigration: Libyen verhaftet im Juni 1500 illegalisierte Flüchtlinge
Am 8.7. gibt die libysche Regierung bekannt, dass sie im Laufe des Monats Juni 1451 Menschen verhaftet hat, die nach Europa ausreisen wollten. Des weiteren wurden 1622 Menschen abgeschoben. Libyen mit seiner ca. 1800 km langen Küste ist vor allem für Menschen aus den Ländern um das Horn von Afkrika zum Transitland geworden. Die libysche Regierung betont immer wieder wie viele Einsatzkräfte und –mittel für den Kampf gegen die illegale Migration benötigt werden
26/06/2007, www.aduc.it-immigrazione/FR Brandenburg
Frontex-Einsatz beginnt
Gestern hat die FRONTEX-Operation NAUTILUS II im Mittelmeer zwischen Malta und Libyen begonnen. Die Operation sieht gemeinsame Patrouillien der EU-Staaten vor, um gegen die illegale Einwanderung vorzugehen. Nach langem Ringen nimmt nun auch Italien an dem Einsatz teil. Die italienische Regierung hatte sich erst mit dem Argument rausgezogen, die Libyer nähmen trotz dem Angebot, sich zu beteiligen, nicht an den Patrouillienfarhten teil und dann würde das Ganze nichts bringen. Schlißelich habe sie sich in letzter Minute doch umentschlossen, nun wird der Einsatz unter Beteiligung von Italien, Malta, Spanien, Griechenland, Deutschland und Frankreich gefahren. Es bleibt noch zu regeln, wie sich die diversen nationalen Marineeinheiten bei der Rettung Schiffbrüchiger verhalten sollen. Ein von der TIMES zitierter FRONTEX-Mitarbeiter erklärte, dass Libyen sich nicht gemeldet habe, das erschwere die Einsätze deutlich, vor allem wenn es sich um Rettungen oder Aufgriffe im libyschen Seerettungsgebiet (SAR Libyen) handele, ws ja auch die vergangenen Ereignisse gezeigt hätten. Laut den Seerechtsverordnungen müssen Gerettete in den ersten sicheren Hafen gebracht werden. Malta hatte mehrmals betont, dass es keine Flüchtlinge aufnehme, die aus anderen Seerettungszonen geborgen werden. Vor zwei Wochen haben Vizepremier Tonio Borg und Außenminister Michal Frendo diese Position auch vor der Europäischen Kommission vorgetragen.
http://www.aduc.it/dyn/immigrazione/noti.php?id=185223
weitere Artikel in italienischer Sprache unter: http://www.aduc.it/dyn/immigrazione/noti.php?id=183261 und Frankfurter Rundschau, 29.6.2007 „Einsatz zur Abschreckung“: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1163685&sid=b47d884b7a41d1e1c18d2b35f83dd13c
sowie weitere Artikel über das Zögern Italiens an der Teilnahme an der Operation beim FR Brandenburg (Judith Gleitze_Italia_Frontex)
12/06/2007, Yahoo actualité, Fabrice RANDOUX/FR Brandenburg
Malta schlägt der EU eine Lastenverteilung der dort angelandeten oder von Malta geretteten Flüchtlinge vor
Hierbei wird auch über den FRONTEX-Einsatz NAUTILUS II gesprochen, Frattini erbittet erneut von den EU-Staaten mehr Einsatzmittel. Auf dem Papier habe man 115 Schiffe, 25 Helikopter, 23 Flugzeuge und ca. 400 sonstige Einsatzmittel (Nachsichtgeräte etc.). Doch diese Mittel sind nicht abrufbereit.
An dem Einsatz NAUTILUS II beteiligen sich Deutschland, Frankreich und Spanien mit 2 (Deutschland) bzw. jeweils einem Hubschrauber.
07/04/2007, Fulvio Vassallo Paleologo (Universität Palermo),
Der italienische Außenminister D’Alema setzt in Libyen die Grenzen der Festung Europa neu fest
Am 23.November letzten Jahres trafen sich die italienischen Innen- und Außenminister Amato und D’Alema am Rande des Euro-Afrikanischen Gipfels in Tripolis mit Muammar al Ghaddafi, um mit ihm über weitere drastische Formen der Grenzkontrollen gegen die irreguläre Migration und die gemeinsam Patrouillen der Grenzschutzagentur FRONTEX vor der libyschen Küste zu diskutieren. Dieser Tage, um Ostern 2007, reist D’Alema erneut nach Tripolis, die Reise sollte geheim bleiben, doch schließlich musste die römische Regierung zugeben, dass sich ihr Außenminister erneut mit dem libyschen Staatsmann trifft.
In Italien diskutiert man währenddessen noch immer die Reform des Bossi-Fini-Migrationsgesetzes , welches immer noch in Kraft ist und es die nächsten Jahre auch bleiben wird. Nun ist der Außenminister heimlich nach Libyen gereist, um sich mit Ghaddafi über die Modalitäten der Blockade auf See und über die finanziellen Mittel zu einigen, die Libyen für Abschiebungen – auch von potentiellen Asylsuchenden – investiert. Abschiebungen in Länder, die keine Menschenrechte garantieren.
Vielleicht hat D’Alema vergessen, dass Libyen die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet hat und keinerlei Asylrechte anerkennt. (…) Die Regierung Prodi setzt den unter Berlusconi begonnen Kurs fort, auch wenn diese noch in den letzten Tagen ihrer Amtszeit aufgrund massiver öffentlicher Proteste (…) gegen die Abschiebungsflüge nach Libyen gezwungen war, diese auszusetzen.
(…) Die Abschottungspolitik im Mittelmeer, die durch die Grenzschutzagentur FRONTEX umgesetzt wird, hält die „illegale“ Migration sicher nicht auf, aber durch sie verändern sich die Routen. So müssen sich immer kleinere Boote auf den Weg machen, die Schlepper verdienen immer mehr Geld und die Opfer, die die Festung Europa fordert, mehren sich. Die Militarisierung des Mittelmeers verringert die Chance auf Frieden und Zusammenarbeit der Anrainerstaaten, die mit dem Prozess von Barcelona 1995 eröffnet wurden.
Das einzige gemeinsame Ziel der europäischen Mitgliedstaaten scheinen Abschiebungen und Zurückweisungen auf dem Meer von immer mehr MigrantInnen zu sein. Aber auch in dieser Hinsicht verfolgen die einzelnen Staaten recht geheim gehaltene Praktiken, die sich nach Transitland und Einreiseort richten. Die Willkür der Polizei jedenfalls überwiegt über die Einhaltung der fundamentalen Rechte der Betroffenen.
Von Bari nach Brindisi, wie auch in den spanischen und griechischen Häfen, bleibt es trotz der Versprechungen der neuen Regierung bei den alten Praktiken der Polizei, und es gibt immer mehr Fälle von Zurückweisungen an der Grenze von unbegleiteten Minderjährigen, viele von ihnen aus Afghanistan, für die die italienische Polizei den Zugang zum Asylverfahren verweigert. (…) Man will nicht zugeben, dass die Zahl der Flüchtlinge, unter ihnen viele unbegleitete Minderjährige, die an den italienischen Küsten aus dem Irak oder aus Afghanistan ankommen, immer mehr steigt; so wie man auch das Recht auf die Asylantragstellung negiert.
Was also kann die Europäische Union im Mittelmeer tun? Geht es nach Minister Amato, so müsste die Union mindestens zwei Dinge tun: das erste wäre die Entsendung einer FRONTEX-Einheit nach Lampedusa, um mit gemeinsamen Patrouillen an der Seegrenze zu Libyen die Zurückweisungen all derer auf dem Meer durchzuführen, die durch den Kanal von Sizilien kommen. Auch wenn man inzwischen weiß, dass es sich immer um einer „gemischte“ Art der Migration handelt: Menschen, die aus ökonomischen Gründen fliehen und politische Flüchtlinge. Die zweite Art der Intervention besteht im Abschließen weiterer Abkommen mit Libyen, damit auch eine beständigere Verpflichtung zu Verhaftungen und Zurückschiebung von „illegalen“ MigrantInnen erfolgt, ähnlich dem seit Anfang 2007 in Kraft getretenen Abkommen mit Ägypten. Bei all dem spielt es keine Rolle, dass das Europäische Parlament, diverse NGOs und auch der UNHCR das fehlende Asylrecht und die schweren Menschenrechtsverletzungen in Libyen beklagt haben. Und auch die Verhörmethoden der ägyptischen Polizei sind ebenso wie die der libyschen Polizei hinreichend bekannt! In Libyen gilt immer noch die Todesstrafe. (…)
In dieses ganze Bild passt auch die Zusammenarbeit der FRONTEX-Missionen mit Ländern, die die Grundrechte der Menschen verletzen, z. B. Malta. In diese Richtung bewegt sich nun auch die Regierung Prodi mit der „informellen“ Mission D’Alemas in Tripolis. Wann und in welchem Zeitraum wird der Minister dem Parlament darüber berichten? Oder wird es weiter gehen mit den bilateralen Verträgen à la Polizeiabkommen, geheim, jeglicher Kontrolle entzogen?
Auch die Vorstellung einer gemeinsamen europäischen Grenzpolizei ist besorgniserregend, ist sie doch nur dazu da, „Illegale“ MigrantInnen zu verhaften. Das hat sich schon in der Entsendung von Polizisten aus verschiedenen Ländern nach Lampedusa gezeigt. Sehr wahrscheinlich sind auch kollektive Abschiebungsflüge von abgelehnten Asylsuchenden in Länder, in die Italien bisher noch gar nicht abschiebt, aber andere Länder wie zum Beispiel Deutschland sehr wohl. (…)
Auch die neuen gemeinsamen Patrouillen sowie die kollektiven Zurückweisungen durch die FRONTEX-Agentur sind allarmierend. Letztes Jahr hat die „Sibilla“, ein Schiff der italienischen Marine, mit der tunesischen Marine gemeinsam die erste Zurückweisung in internationalen Gewässern Richtung tunesischen Hafen vollzogen: das Boot mit Flüchtlingen wurde den tunesischen Behörden übergeben. Nicht eine internationale Konvention sieht solche Zurückweisungen auf dem Meer vor, und in der 2002 von Berlusconi erlassenen Direktive war ein Aufhalten von Booten mit „illegalen“ Flüchtlingen nur zum Zwecke der Inspektion an Bord vor gesehen (die so genannte Inaugenscheinnahme der Flagge).
Im März 2007 wurde der erste italienische FRONTEX-Einsatz im Atlantik vor Senegal bekannt, auch hier eine kollektive Zurückweisung von Hunderten von MigrantInnen, die in Richtung Kanaren unterwegs waren. Die „Happy Day“ wurde von einer italienischen Militäreinheit in einen senegalesischen Hafen eskortiert und dann wieder auf Anordnung der senegalesischen Regierung gen Süden losgeschickt, Richtung Guinea Conakry, wohl um gefährliche Präzedenzfälle zu vermeiden. Diese Praxis jenseits jeglicher internationalen Legalität schüren das Risiko erneuter Katastrophen und kann eine große Verletzung des Asylrechts auf internationaler wie auch auf italienischer Verfassungsebene darstellen.
EU-Kommissar Frattini erhofft sich, dass sich die gemeinsamen Patrouillen nun im Namen der Harmonisierung auf das gesamte Mittelmeer ausweiten lassen. Aber wir wissen alle nur zu gut, dass diese Art der Harmonisierung und Zusammenarbeit nur als heuchlerischer Vorwand für die Abschiebung von immer mehr MigrantInnen dient. (…). Die Erinnerung an die Affaire Cap Anamur ist uns noch klar im Gedächtnis. Der Prozess, in dem Vertreter einer deutschen humanitären Organisation, die 37 Menschen das Leben auf hoher See gerettet hat, auf die Anklagebank gesetzt wurden als wären sie „Schlepper“, läuft derzeit in Agrigento. Auch in diesem Fall hat die fehlende Mithilfe der anderen involvierten europäischen Staaten (Deutschland, Italien, Malta) zu einer Kriminalisierung der Schiffbrüchigen und deren Helfer geführt.
Tatsächlich hat sich mit der Affaire Cap Anamur im Jahre 2004 der Wendepunkt der europäischen Politik der „Eindämmung“ von „illegaler“ Migration gezeigt. Nach einer anfänglichen Zusammenarbeit der deutschen und der italienischen Regierung verweigerte die deutsche schließlich die Prüfung der Asylanträge der Geretteten und die italienische Regierung zog den Vorschlag zurück, befristete humanitäre Aufenthaltstitel zu vergeben. Stattdessen wurde trotz der Intervention des Europäischen Gerichtshofes eine kollektive Abschiebung durchgeführt. Seit dem ist man, trotz der Erklärungen aller möglicher europäischer Staatsoberhäupter und Innenminister und Versuchen, das abstrakte Prinzip der Solidarität z.B. mit einer gemeinsamen Grenzschutzagentur wie FRONTEX untereinander wieder zu beleben, zu den weiter entwickelten Formen der bilateralen Abkommen mit Transitländern und Ankunftsländern zurückgekehrt.
Die Länder Nordeuropas und die neuen EU-Staaten zeigen bisher ein recht laues Interesses für die von EU-Kommissar Frattini geforderten Finanzierungen, und so sind die Mittel der FRONTEX-Missionen bisher eher sporadisch geblieben, sie dienen nur dazu, klar zu machen, dass eine See-Kontrolle möglich ist, von einer Umsetzung ist man allerdings ist noch weit entfernt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Grenzländer wie Spanien mehr auf bilaterale Abkommen setzen, auch wenn damit internationale Konventionen verletzt werden, die z.B. die besonders Schutzbedürftigen wie die unbegleiteten Minderjährige betreffen.
März 2007 wurde ein Abkommen zwischen Spanien und Marokko unterzeichnet, das im Rahmen der Verhinderung der „illegalen“ Migration konzentrierte Abschiebungen von unbegleiteten Minderjährigen sowie die folgende Verwaltungshaft in extra dafür geschaffenen Zentren in Marokko vorsieht (in Tanger, Nador und Marrakesch). Das Ganze wird von Spanien mitfinanziert. Die spanische Regierung hat sogar zugelassen, dass zurückgeschobene Minderjährige eine Geld- oder auch eine Haftstrafe für die illegale Ausreise erhalten können. Die Kooperation reduziert sich auf eine finanzielle Unterstützung für die Auslagerung der Verwaltungshaftzentren. Das ist die inzwischen immanente Logik der Annährungspolitik der südeuropäischen Staaten in Sachen Migration und Asyl. Die Rechte der besonders Schutzbedüftigen wie z.B. Frauen, Minderjährige und auch Asylsuchende im Allgemeinen werden nicht geachtet. Warten wir nun ab, was Minister D’Alema, (…) dem Parlament nach seiner Rückkehr aus Libyen von seinen Treffen mit den libyschen Autoritäten über die geplanten Initiativen für den Schutz der am meisten gefährdeten MigrantInnen zu berichten hat.
Welche Garantien zur Einhaltung der Grundrechte werden anerkannt in dieser neuen europäischen Grenz- und Rückübernahmepolitik? Es bedarf vor allem einer neuen nationalen Regelung – sollte sich nicht eine auf europäischen Niveau finden - für die legale Einreise zum Zwecke der Arbeitsaufnahme. Wenn es nicht bald zu einer individuellen Legalisierung kommen muss man wieder einmal auf den soundsovielten Versuch der allgemeinen nachträglichen Legalisierung, der so genannten „sanatoria“, zurückgreifen. Auf jeden Fall muss der Arbeitsmarkt aufgewertet werden. Ansonsten wird der informelle Arbeitsmarkt eine so große Anziehungskraft entwickeln, dass kein Militärschiff diese trüben kann.
Die Rettungsaktionen von nicht-militärischen Schiffen auf dem Meer müssen straffrei werden, damit die Rettungen rechtzeitig erfolgen können. Die FRONTEX-Missionen müssen im Sinne der Rettung von Menschenleben und Asylrecht neu überdacht werden. Die Rechtsordnung zu Zurückweisungen und Abschiebungen müssen geändert werden, so dass sie nur im Ausnahmefall gelten und nicht zum Normalfall werden. In Folge davon müssen die Haftlager sowie die Identifikationszentren geschlossen werden. Es darf keine Abschiebungen mehr in Länder geben, die grundlegende Menschenrechte wie das Asylrecht nicht akzeptieren. Es müssen echte Aufnahmezentren für Asylsuchende geschaffen werden. (…)
Italien muss das in der Verfassung unter Art. 10 festgeschriebene Asylrecht in die Realität umsetzen und darf sich nicht auf die zum Teil regressiven Formulierungen der europäischen Richtlinien beschränken. Die Rückübernahmeabkommen müssen jeder/jedem MigrantIn den Zugang zum Verfahren ohne individuelle Freiheitsberaubung ermöglichen. Das Verfahren der Rückübernahmeabkommen muss vom Parlament noch einmal grundsätzlich geprüft werden, weil diese gegen internationales Recht stehen, weil sie gegen die national verankerten Grundrechte verstoßen, und weil die Handlungen der Polizei im Rahmen dieser Abkommen keiner richterlichen Kontrolle unterstehen.
Die schon geschlossenen Abkommen müssen widerrufen oder zumindest neu verhandelt werden. Zukünftige Abkommen, natürlich im Parlament diskutiert und von ihm abgesegnet, müssen den internationalen und den verfassungsrechtlichen Normen der Grundrechte eines jeden Einzelnen angepasst werden.
Zu allen diesen Themen muss sich eine neue italienische Politik im europäischen Rahmen entwickeln, weg von dem Sicherheitsgedanken, der mit den immerwährenden allarmierenden Meldungen und zeitgleichen repressiven Maßnahmen, die sich dann doch als wenig hilfreich erweisen, nur die Unsicherheit der Bevölkerung schürt. Sie schaffen stattdessen neue soziale Schichten, die die Integration und das soziale Zusammenleben verhindern, welches sich doch angeblich alle angesichts des strukturellen Phänomens der Migration in Europa wünschen.
Die Teilnahme am Gipfeltreffen in Tripolis im letzten November und auch der jetzige Besuch D’Alemas in Libyen bestätigen jedoch leider aufgrund der Form und des Inhalts, wie groß die Distanz zwischen Worten und Taten derer ist, die uns hier regieren.
Aus dem Italienischen übersetzt und bearbeitet von Judith Gleitze
4. Migrationspolitik Italien
14/07/2007
Drei Tote in Kühllaster
Am 14.7. hat die Polizei drei Tote, wahrscheinlich irakischer Herkunft, in einem tschechischen Kühllaster, der Melonen transportierte, gefunden. Ein vierter Flüchtlinge überlebte und wurde ins Krankenhaus gebracht. Der Laster kam aus Griechenland und war auf der Fahrt nach Deutschland.
Es sind dazu diverse Artikel erschienen, unter anderem in Italien:
Mestre: morire asfissiati in un tir. http://www.meltingpot.org/articolo10847.html
http://www.repubblica.it/2007/07/sezioni/cronaca/mestre-clandestini-morti/mestre-clandestini-morti/mestre-clandestini-morti.html
http://www.ilmanifesto.it/oggi/art41.html
http://tagesschau.sf.tv/nachrichten/archiv/2007/07/14/international/fluechtlinge_in_kuehllaster_erfroren
05/07/2007
CPT’s visit report/ rapport CPT (uniquement en français / in French only)
http ://www.cpt.coe.int/documents/ita/2007-26-inf-fra.htm
response of the Italian authorities / réponse des autorités italiennes (uniquement en anglais / in English only) http ://www.cpt.coe.int/documents/ita/2007-27-inf-eng.htm
Council of Europe Anti-Torture Committee publishes report on Italy http://www.cpt.coe.int/documents/ita/2007-07-05-eng.htm
Strasbourg, 05.07.2007 – The Council of Europe’s Committee for the prevention of torture and inhuman or degrading treatment or punishment (CPT) has published today its report on the ad hoc visit
to Italy in June 2006, together with the Italian authorities’ response. These documents have been made public at the request of the Italian authorities.
The main objective of the visit was to examine the steps taken by the Italian authorities with regard to immigration detainees, in response to the recommendations made by the Committee after its previous visit to Italy in November/December 2004. For this purpose, the CPT carried out follow-up visits to the former Holding Centre for foreigners at Agrigento and to the First Help and Assistance Centre at Lampedusa. The Committee also visited, for the first time, the Holding Centre and the First Reception Centre for foreigners at Crotone and the Holding Centre for female foreigners at Ragusa. The issue of
deportations of foreign nationals carried out from Crotone and Lampedusa Airports was also examined.
In their response, the Italian authorities provide detailed information on the measures taken to implement the recommendations made by the CPT in the visit report.
29/06/2007, Elisabetta Ferri, Redazione Melting Pot (www.meltingpot.org)
Ministerrat stimmt dem Amato-Ferrero Gesetzentwurf am 28.6.2007 zu. Einiges wird sich verbessern, aber es ändert sich nichts Grundsätzliches.
Keine Rechte für Illegalisierte. Folgende Punkte soll die Reform des Ausländergesetzes enthalten:
bessere Einreisemöglichkeiten für Hochqualifizierte
Sponsoren (die die Einreise von Arbeitnehmern möglich machen)
Die „Überwindung“ der derzeitigen Flüchtlingszentren
Zuständigkeitsänderung: nun ist ein ordentliche Richter und nicht mehr der Friedensrichter für die Vergehen zuständig, die nur Ausländer begehen können
Rückführungsprogramm für freiwillige und zwangsweise Rückführung
Es handelt sich hier jedoch nur um einen Gesetzentwurf, dem zugestimmt wurde. Nun muss der Gesetzgeber innerhalb eines Jahres ein Gesetz schreiben und detalliert angeben, wie die Umsetzung der einzelnen Punkte zu handhaben ist. Man kann also frühestens in einem Jahr genau sagen, wie das neuen italienische Migrationsgesetz aussehen wird. In diesem Jahr spielen nun natürlich Wählerverhalten und Regierungskrisen eine große Rolle.
Ein zentraler Punkt ist die Abschaffung der Abschiebungshaftanstalten und der Verwaltungshaft. Leider wird immer nur über die „Überwindung“ gesprochen, was das im Endeffekt wirklich heißt ist unklar. Der Entwurf bezieht sich vor allem auf das Thema Arbeit und hier gibt es vor allem Erleichterungen im Bereich der hochqualifizierten Arbeit. Alle anderen „nützlichen“ Arbeitnehmer auf den Feldern, als HaushälterInnen etc. sind weiterhin nicht gesichert.
Positive Punkte sind natürlich die Abschaffung der Zuständigkeit eines Friedensrichter bei Verhängung von Abschiebungshaft, die Einführung des Wahlrechts für lange in Italien aufhältige MigrantInnen, die Verlängerung der Dauer der Aufenhaltserlaubnisse.
Aber die negativen Punkte überwiegen: es wird keine wirkliche Schließung der Abschiebungshaftanstalten geben. Es handelt sich letztendlich um einen sehr vagen Text und man muss sich fragen, inwieweit eine Veränderung im Ausländerrecht tatsächlich gewollt ist. Der Gesetzesentwurf ist zwar eine Verbesserung, aber er reicht letztendlich nicht aus.
08/05/2007, Judith Gleitze, Palermo
Italiens Regierung legt neuen Gesetzentwurf zur Migration vor
„Alles muss verändert werden, damit es so bleiben kann, wie es ist“
Das war schon die Devise in Tommasi di Lampedusas Meisterwerk „Der Leopard“ über die Zeiten der Einigung des Landes. Nun ruft der neue Gesetzentwurf trotz einiger Verbesserungen landesweiten Unmut bei FlüchtlingsaktivistInnen hervor
Das italienische Migrationsgesetz „Bossi-Fini“ hat die illegale Einreise verstärkt statt sie einzudämmen, so Innenminister Amato in einer Mitteilung zum neuen Gesetzentwurf „Amato-Ferrero“ am 24.April 2007 in Rom. Wie auch schon die Vorgänger wird dieser Gesetzentwurf nach seinen Schreibern benannt: Innenminister Giuliano Amato und Paolo Ferrero, Minister für die ‚soziale Solidarität’. Der Migrant an sich sei kein Verbrecher, das müsse man nun endlich anerkennen. Doch fast alle FlüchtlingsaktivistInnen sind sich einig: der neue Gesetzentwurf ist nicht ausreichend, sie wollen sich nicht mit den geringfügigen Verbesserungen zufrieden geben.
Erst einmal dient auch dieser gerade einmal viereinhalbseitige Gesetzentwurf zur längst fälligen Umsetzung der EU-Richtlinien in Italien. So soll die Aufnahme endlich neu strukturiert werden – das Wie wird jedoch vollkommen offen gelassen. Der Entwurf sieht zudem vor allem Veränderungen in Fragen der Arbeitsmigration vor. So müssen Arbeitsverträge nicht mehr schon vor der Einreise bestehen, sondern können, hat man einen so genannten Sponsor gefunden, auch erst in Italien abgeschlossen werden. Sponsoren können potentielle Arbeitgeber, aber auch Vereine und sonstige Gruppen sein. Doch erstens ist diese Idee nicht neu, sie bestand auch schon vor dem jetzt gültigen „Bossi-Fini“ Migrationsgesetz und wurde in diesem abgeschafft, zweitens ist es gerade mal ein Schritt aus der Absurdität in die Normalität, so der Anwalt und Flüchtlingsberater Sergio Trolio. Er beschreibt die jetzige Prozedur: „Alle tun so, als ob sie nicht hier wären“. 90 % der MigrantInnen, die sich auf einen Arbeitsplatz bewerben, halten sich längst irregulär in Italien auf. Dennoch müssen sie so tun, als ob sie diesen vom Ausland aus gefunden haben. Der Arbeitgeber stellt also offiziell jemanden aus z.B. Senegal ein, den er noch nie in seinem Leben gesehen hat. Um das Ganze dingfest zu machen muss der Arbeitssuchende ausreisen, sich ein Visum beschaffen und wieder einreisen, als sei er eben erst frisch angekommen. „Das ist doch eine absolute Idiotie“, so Trolio.
Ein Problem auch im neuen Gesetzentwurf bleibt natürlich, dass die MigrantInnen über genügend Geld und auch über eine Krankversicherung verfügen müssen. Außerdem sind auch die Arbeitsplätze, die mit ‚Sponsoren’ gefunden werden, quotiert (eine genaue Zahl ist noch nicht veröffentlicht). Nur für Hochqualifizierte soll es keine Quoten geben. Hier scheint der Harmonisierungsgedanke der europäischen Migrationspolitik durchzudringen, die klugen Köpfe dürfen natürlich immer kommen.
Es soll auch Listen in den italienischen Botschaften geben, in die sich Arbeitssuchende eintragen können. „Auch wenn die Einreise angeblich erleichtert werden soll, so müssen wir die Arbeit der Botschaftsangehörigen auf jeden Fall genau beobachten“, so Fulvio Vassallo Paleologo von der Universität Palermo. Schon zu oft wurde nach Nationalitäten bestimmt, wer einreisen darf und wer nicht.
Weitere Änderungen sind in den Bereichen der Abschiebungshaftanstalten und bei der Zuständigkeit der Richter von Abschiebungshaftbeschlüssen vorgenommen worden. Letzteres ist unzweifelhaft ein positiver Vorschlag, denn nach der jetzig geltenden Rechtslage sind Friedensrichter, die mit der Thematik Asyl und Migration nichts zu tun haben, für die Haftbeschlüsse zuständig – nach Aussagen von vielen Anwälten in Süditalien ein Desaster. Das neue Gesetz sieht vor, dass diese Beschlüsse nun von einem ordentlichen Richter gefällt werden müssen. „Ein Friedensrichter garantiert überhaupt nichts, ein ordentlicher Richter hat sich vorzubereiten und kann das Ganze in einem anderen Kontext bewerten“, so Vincenzo Medici, der Flüchtlinge vor allem in Klageverfahren in Crotone vertritt.
Was aber lässt die Flüchtlingsszene in Italien so zweifeln an dem neuen Entwurf? Zum einen, dass er erst noch durch das Parlament muss – hier wurden schon große Bedenken von den rechten Parteien angekündigt, die diesen Entwurf ablehnen. Sofort hat Kulturminister Francesco Rutelli, Vizepräsident des Ministerrats, versichert, dass es Modifizierungen geben wird. Aber auch einige linke VertreterInnen sind nicht mit dem Entwurf einverstanden. „Der Gesetzentwurf birgt unzweifelhaft einige Fortschritte gegenüber dem jetzigen Bossi-Fini-Gesetz, aber man muss genau hinschauen, ob die angeblich erleichterte Einreise nun auch wirklich so funktionieren wird. Man wird die Arbeitgeber kontrollieren müssen, die sich auf das Sponsoring einlassen“, so Fulvio Vassallo Paleologo. Der illegale Migrant ist auf dem Arbeitsmarkt – vor allem im Agrarbereich – sehr willkommen. Ob der hier herrschenden Ausbeutung von Arbeitskräften tatsächlich Einhalt geboten werden kann ist fraglich.
Ebenso fraglich bleibt, ob sich die Arbeit der Ausländerbehörden und der Grenzpolizeistellen wirklich ändern wird. Derzeit ist z.B. die Ausländerbehörde Palermo nach Aussagen von hier arbeitenden Anwälten sehr intensiv darum bemüht, den Flüchtlingen und MigrantInnen hier das Leben so schwer wie möglich zu machen. So schieben sie MigrantInnen mit der Begründung, sie seien ja vor zehn Jahren illegal eingereist, ab, obwohl diese nun schon seit vielen Jahren legalisiert sind. Ob so ein Verhalten durch ein Papier geändert werden kann bleibt fraglich.
„Der Gesetzentwurf geht das Migrationsphänomen und die damit einhergehenden Probleme nicht organisch an, er löst diese Probleme nicht“, meint Sergio Trolio. „Das Ganze ist nur eine Zwischenlösung, nichts Richtiges.“ Damit spricht der Anwalt aus Kalabrien einen der wichtigsten Kritikpunkte des Entwurfs an: er stellt immer noch kein Asylgesetz dar! Weiterhin wird es also in Italien – als einziges Land in Europa – keine eigenständige Asylgesetzgebung haben! Der Gesetzentwurf wird das jetzige Bossi-Fini-Gesetz nur an einigen Stellen ausbessern und zudem frühestens in einem Jahr in Kraft treten.
Alle Verbesserungen sind in den Augen derer, die sich seit Jahren für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen einsetzen, nur ein Tropfen auf den heißen Stein, keine wirklich gewollten Veränderungen. „Wir haben eine neue Regierung, aber alles bleibt beim Alten. Leider deutet alles darauf hin, dass diese Regierung wenig Interesse daran hat, die Probleme wirklich zu lösen. Stattdessen schiebt sie (seit einem Jahr im Amt) den Gesetzesentwurf auf die lange Bank. Sie hat also entschieden, nicht sofort mit Erlassen einzugreifen, um z.B. gegen die Ausbeutung der Schwarzarbeiter vorzugehen oder die Rechte gegen die Abschiebungen zu etablieren“, so Matteo Boscarrelli vom Collettivo dei Migranti a Ragusa e Catania in Sizilien. „Die Abschiebungshaft bleibt bestehen. Die Betreiber, die man als nicht mehr vertretbar ansieht wie die Misericordia werden abgelöst. Die Haftanstalten werden dann, wie es Minister Ferrero ausdrückt, ‚überwunden’“. Geschlossen werden gerade einmal drei der 12-14 Abschiebungshaftanstalten in Italien (einige Zentren sind in nicht deutlich klassifizierbar, ähneln aber eher einer Haft): Crotone, Ragusa und Brindisi, alle drei im Süden. „Doch was ist mit Bologna, Mailand, Gorizia, Rom, Lampedusa?“ fragt das Collettivo. „Sie bleiben bestehen, doch sie sind nicht reformierbar“, so die klare Ansicht von Vassallo Paleologo. Das ist auch die Meinung vieler Flüchtlingsgruppen, die nun massenhaft dazu aufrufen, endlich auch die anderen Zentren zu schließen. „Eine dauerhafte individuelle Legalisierung der Flüchtlinge und MigrantInnen in Italien ist notwendig. Das alte Gesetz kann nicht verbessert werden, es muss ein vollkommen neues geschaffen werden. Der vorliegende Gesetzentwurf ist viel zu allgemein. Es besteht zudem das Risiko, dass das so genannte Ermächtigungsgesetz zu dem Entwurf von vom Innenministerium bestimmten Präfekten verfasst wird, die dann immer noch viel zu viel Verwaltungsspielraum zu Ungunsten der MigrantInnen lassen. Es geht hier um die fundamentalen Menschenrechte. Ein Gesetz kann diese nicht verbriefen, wenn die Autoren nicht dahinter stehen.“
5. Migrationspolitik Malta
zur Nicht-Rettung von Flüchtlingen siehe auch Punkt 1.
03/07/07, Matteo Manzonetto, www.redattoresociale.it
Wer soll Schiffbrüchige retten? Und wohin soll man sie bringen? Der Fall Malta
Öffentliche Anhörung des LIBE-Ausschusses in Brüssel
Strengere Kontrollen auf hoher See können mehr Tragödien zur Folge haben. Unklar ist immer noch wer wie wann und wo retten darf und muss. Öffentliche Anhörung vor dem Europäischen Parlament.
Der LIBE (Kommissionsausschuss zu ziviler Freiheit) organisierte am 3.7.07 eine Anhörung zu dem Thema. Die Vertreter aus Spanien, Zypern,Malta und Griechenland waren im Gegensatz zu Italien anwesend. Paolo Artini vom UNCHR berichtete über 210 Tote und Verschwundene im Kanal von Sizilien im Juni – mehr Tote als im Vorjahr bei weniger Ankünften. Im ersten Halbjahr 2007 seien an Italiens Küsten ca. 5200 Menschen angekommen, da bedeutet 30% weniger als im Vorjahr. Die Zahl der auf Malta Angelandeten habe sich jedoch vervierfacht (bisher va. 700), so Artini. Das zeigt, dass sich die Routen sehr schnell nach der Lage der Überwachung ändern, sie werden länger und gefährlicher. Der Fall Malta zeige, was Seerettung bedeutet: Malta habe ein Seeüberwachungsgebiet (SAR – search and rescue) wie Großbritannien, also viel zu groß, um hier wirklich alles mit den eigenen Einsatzmitteln überwachen zu können. Das belegen auch die Zahlen der Einsätze der italienischen Küstenwache in maltesischen Gewässern: im ersten Halbjahr 2007 wurden 3658 Personen im SAR Malta von der italienischen Marine gerettet, 1663 (44%) wurden im gleichen Gebiet aufgegriffen. Von 311 Einsätzen wurde fast die Hälfte in maltesischem Gebiet gefahren. Trotz des zu großen Gebietes will Malta aber nicht einen Quadratkilometer abgeben, da, wie verlässliche Quellen berichten, das maltesische SAR-Gebiet mit dem des Information Flight Service übereinstimmt, und dem Inselstaat somit beträchtliche Einnahmen bringt.
Aber die Frage der Rettung ist nicht das einzige Problem, was passiert mit den Booten, wenn sie einmal gesichtet sind –wohin sollen sie? Das internationale Seerecht überlagert sich hier mit den Menschenrechten. Das Seerecht besagt, die Geretteten müssen in den nächsten sicheren hafen gebracht werden, aber es ist nicht gesagt, dass der räumlich nächste Hafen auch ein für Flüchtlinge sicherer ist. Hier kommen die Menschenrechte ins Spiel. Es handelt sich bei den MigrantInnen nicht nur um Menschen, die aus ökonomischen Gründen ihre Heimat verlassen mussten, sonder auch um potentielle Asylsuchende und Schutzbedürftige. Diese kann man keinesfalls nach Libyen zurückschicken. Dort werden sie zum großen Teil über Monate inhaftiert.
„Man muss gegen dieses illegale Handeln in den Transitländern vorgehen“, so Fulvio Vassallo Paleologo von der Universität Palermo.
Auch muss die Zusammenarbeit der Transit- und Herkunftsstaaten muss verbessert werden. In Marokko gebe es inzwischen Aufklärungskampagnen, die sich vor allem an Mütter und Familien richtet, deren Kinder die reise nach Europa wagen wollen. Angeblich habe das zu 65%igem Rückgang der Migration geführt.
Der Ausbau de Kontrollen auf See führt nur zur Änderung der Routen, verhindert aber nicht die Migration. Das bedeutet, eine legale Form der Einreise und ein vernünftiges Asylanerkennungssytem sind vonnöten, die Europäische Gemeinschaft muss sich endlich einen andern Zugang zu der Thematik überlegen.
12/06/2007, Yahoo actualité, Fabrice RANDOUX
Malta schlägt der EU eine Lastenverteilung der dort angelandeten oder von Malta geretteten Flüchtlinge vor
Malte propose à une UE réticente un partage des migrants sauvés en mer
Malta hat den 27 EU-Staaten vorgeschlagen, dass die MigrantInnen, die von Malta auf hoher See gerettet werden, auf die anderen Staaten verteilt werden, aber die kleine Mittelmeerinsel konnte die anderen EU-Staaten, die in Luxemburg zusammen gekommen waren, nicht davon überzeugen. Vizepremier Borg erhofft sich von der EU eine geteilte Verantwortung. Ein Diplomat unterstrich, dass diese Art der Lastenteilung sehr schwierig sei, das diskutiere man seit den 90er Jahren, als Deutschland die fast alleinige Aufgabe zufiel, die bosnischen Kriegsflüchtlinge aufzunehmen. Ein anderer Diplomat meinte, diese Verteilung der Flüchtlinge auf andere EU-Staaten könne eine anziehende Wirkung auf die Flüchtlinge haben, die ja dann wissen, dass sie nach Europa einreisen können. Alle haben ja zum Glück so viel Menschlichkeit, diese Menschen zu retten (sic!), aber dann will sich keiner um sie kümmern, resümierten die Diplomaten. Eine Klärung, wer die Flüchtlinge aufnehmen muss, steht aufgrund der beginnenden FRONTEX Einsatzes dringend aus.
6. Tipps zu Links
"map of migration routes" in Afrika und über das Mittelmeer, einem Gemeinschaftsprojekt von ICMPD, Frontex und Europol.
http://www.icmpd.org/fileadmin/ICMPD-Website/MTM/New_Map-Poster_EN.pdf
http://frontexwatch.wordpress.com/2007/04/
Pozessbeobachtung um die CPA ANAMUR:
http://www.isihserver.de/www.fluechtlingsrat-randenburg.de/contenido/cms/front_content.php?idcat=48
Oder selber gucken unter: www.fluechtlingsrat-brandenburg.de - Schwerpunkte – Cap Anamur
don. Mosè

- Mussie Zerai Yosief
- Roma, Italy
- Sono Sacerdote Eritreo. Vivo in Italia dal 1992 Attualmente studio alla Pontificia Università Urbaniana Mi occupo dei diritti dei migranti, inparticolare dei richiedenti asilo politico e Rifugiati politici. Sono impegnato a favore dei diritti umani e civili degli Eritrei ed Etiopi.
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